Montag, 1. Dezember 2014

Die zwei M's - Mentalität und Männer



Im letzten Monat habe ich wieder so einige Lektionen gelernt. Das Leben läuft in China nur rund, wenn du willig bist, zu lügen. Halt Stopp! Das reicht bei Weitem nicht aus. Wichtig ist auch, dass es dir nichts ausmacht, belogen zu werden. Eine beliebte Antwort auf Fragen sind nichtssagende Sätze, wie: „ Wir werden unser Bestes versuchen.“ Wenn jemand dir bestätigt, er werde sich darum kümmern, ist das keinesfalls sicher, sondern eher so daher gesagt. Das ist dein Startschuss, um in den Schallplattenmodus zu verfallen. Ab jetzt musst du dich bereitmachen, dich jeden zweiten Tag um eine Antwort zu bemühen. Denn andernfalls kannst du es vergessen. Du stehst da und weißt so viel wie vorher. 




Einige werden jetzt vielleicht kritisieren, wie ich es wagen kann, eine so harte Anschuldigung im Internet zu äußern. Das ist mein persönliches Empfinden, ich schreibe es alles genauso nieder, wie ich es erlebe. 

So ist das in China, du weißt immer nur so viel, wie gut für dich sein soll. Am besten wäre es natürlich, keine Frage zu stellen und ohne Ansprüche deine Arbeit zu tun, danach in die Wohnung zurückzukehren, dort weiter zu arbeiten und dann schnellstmöglich ab ins Bett mit dir. Soziale Kontakte? Spaß am Leben? Abends weggehen? Bloß nicht! Das bringt doch trügerische Gefahren mit sich. Zum Beispiel könntest du krank werden, wenn du nicht nur in deiner Wohnung herumlungerst. Und krank bringst du der Schule nichts mehr. Da kann es schon einmal sein, dass sie dich nach drei Tagen anrufen, um dir mitzuteilen, dass du zu oft fehlen würdest und dich im nächsten Satz kündigen. So ist es Friedrich letztens ergangen. Er hatte eine Woche lang eine Mandelentzündung. Nun ja, jetzt hat er keinen Job mehr. Da fragt man sich doch: China, was läuft falsch mit dir? 

Was ich damit sagen will, du weißt in diesem Land nie, warum sie gerade nicht gut auf dich zu sprechen sind. Vor kurzem kam eine Mail von unserem Organisator Paul, in der unter anderem stand, dass die Schule überlegen würde, die Zusammenarbeit mit ihm aufzugeben. Der Grund dafür sind wir. Warum? Weiß der Geier. Keine Ahnung! Sagt uns aber auch niemand, um unser Gesicht zu wahren. Ja, also wenn ihr mich fragt, gebe ich mein Gesicht gerne her, wenn wir dann endlich erfahren würden, was um Himmelswillen wir falsch machen. Ihr seht, ich fühle mich ganz leicht unfair behandelt. Ganz leicht. 

Eine andere Lektion mussten wir auch weniger schön lernen: Fahre niemals mit drei chinesischen Männern und nur einer deutschen Begleitung auf einen Ganztagsausflug. Es endete damit, dass ich zweimal die Zunge von einem Wildfremden in meinem Hals hatte. Was machst du dann? Mein erster Impuls war, ihm eine zu klatschen. Da gab es nur ein Problem, wir befanden uns zu dem Zeitpunkt auf dem Land mitten in einer Orangenplantage. Ich weiß nicht, was ihr gemacht hättet, aber auch wenn ich nichts auf seinen Luxusporsche gebe, wäre ich damit schon gerne wieder zurückgefahren. 


Das erste Mal habe ich mich also mühselig aus seinem Klammergriff befreit und bin quer über die Orangenplantage geflüchtet. Mir kam sein Vorwand, er würde mir gerne besonders schöne Orangen zeigen, schon von Anfang an verdächtig vor. Danach setzte ich alles daran, ihn zu ignorieren, auch wenn es bei seiner chronischen Veranlagung, sich wie ein achtjähriges Kind aufzuführen, zugegebenermaßen etwas schwierig war. Ein achtjähriges Kind mit einer Rolex ums Handgelenk. Einer, der vom Wegesrand Farn-Stängel abreißt, um anderen damit auf den Kopf zu hauen oder den Nacken zu kitzeln. Ich konnte unmöglich glauben, dass das der Boss einer großen Firma sein sollte. Den kann man nicht ernst nehmen! 

Zurück im Auto, mussten wir natürlich in einen Stau kommen. Na toll. Was macht der gastfreundliche, stinkreiche Chinese von heute in so einer Situation? Natürlich, das nächste Restaurant aufsuchen und ein Saufgelage einläuten. Das taten wir also. Vollgegessen von einer üppigen Mahlzeit auf der Plantage, sowie unzähligen Orangen, gingen wir erstmal...essen. Die Freude war riesig. Zu unserem Entsetzten wurden kistenweise Wein und der „gute“ Reisschnaps aufgefahren. Das versprach ein langer, trinkreicher Abend mit Kopfschmerzen zu werden.

Kaum waren die Herrschaften besoffen, wurde uns mitgeteilt, dass wir heute Abend nicht mehr nach Hause fahren würden, sondern in einem Hotel übernachten. Was? Äh, wie jetzt? Na gut, ich hielt den Doc für einen vertrauenswürdigen Mann, deswegen willigten wir zuerst ein. Das war jedoch ein großer Fehler. Fast wären wir darauf reingefallen. Die drei Halunken hatten sich nämlich abgesprochen, dass nur Doc. Kings zwei Brüder, Elli und ich ins Hotel gehen sollten. Er selbst war schon dabei, seine Sachen zu packen und zurückzufahren. Ihr könnt euch ausrechnen, mit welchem Szenario das geendet hätte! Ganz nach dem Motto: „Mit Mäuschen ins Bett, mit Kater aufgewacht.“

Elli und ich schnurstracks Doc. King hinterher, wollten nur noch nach Liuzhou zurück. Doch ein erneuter Rückschlag. Plötzlich hieß es, wir müssten vorher noch in einen KTV gehen. Wollte Doc. King doch gerade noch dringend zu dem Geburtstag seiner Frau fahren, hatten sich nun, wo wir nicht mehr mit ins Hotel gehen wollten, seine Pläne schlagartig geändert. Wir versauerten also noch weitere 2,5 Stunden bei Taylor Swifts kitschigen Country-Songs, Britney Spears und Co.   

Ich beschloss, ein paar Tomaten zu essen, um die Zeit totzuschlagen. Aber gerade, als ich mir die zweite in den Mund schieben wollte, flog sie im hohen Bogen auf die andere Tischseite. Ich wurde erneut Opfer einer Kussattacke von Doc. Kings Bruder. Er hatte die Gunst der Stunde genutzt, mich mit geöffnetem Mund vorzufinden und mich, ehe ich mich versah, zu sich herübergezogen. Jetzt war Schluss mit lustig. Elli und ich standen auf und verließen so schnell es ging das Zimmer. Das schlimmste an der ganzen Sache ist, jede Abfuhr scheint für sie nur ein neuer Ansporn zu sein.

Unsere Ausbeute hatte sich dafür durchaus gelohnt. Am Ende des Tages waren wir eine 10 Kilo Kiste Baby-Orangen, zwei Stangen Zuckerrohr und ein Haufen Erfahrungen reicher.

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