Samstag, 17. Januar 2015

Im Reich der Eiskönigin

Rauch steigt von den Essensbuden auf, als würde man gerade in diesem Moment auf einen außergewöhnlich breiten Schornstein einer Fabrik blicken. Soweit das Auge reicht, nichts als Eis und Schnee lässt sich ausmachen. Quasi lebendig aufbewahrt in einem Gefrierfach. Ich wusste, dass es eine gute Entscheidung war, vier Hosen übereinander anzuziehen.


Es ist endlich soweit. Heute bezwingen die eisigen Temperaturen von -20 Grad und besuchen das Eis-und Schneefestival. Bei diesem Klima bekommt Zeit eine ganz neue Bedeutung. Schon das Warten auf den Bus lässt uns so ungeduldig werden wie kleine Kinder, die Weihnachten nicht abwarten können. Während ich wie eine Verrückte auf den Füßen hoch und runter wippe, spielt Elli den Guard vom Buckingham Palace auf Pattrolie. Ich will gar nicht wissen, was dem Harbiner hinter uns durch den Kopf geht. In Leggins, halb offener Bomberjacke und Sneakers, steht er da, als wäre gerade der Frühling ausgebrochen, genüsslich an seiner Zigarette ziehend. Selbstverständlich ohne Handschuhe. Wer braucht die schon? Sind sowieso überwertet die Dinger. 


Eis, Eis, nicht als Eis. Ich muss schon sagen, die Skulpturen sehen atemberaubend aus, irgendwie erhaben. Die Lichter lassen sie in verschiedenen Farben in der Dunkelheit erstrahlen. Ein wenig zu bunt vielleicht für meinen Geschmack, aber hey, wir sind in China, auch wenn ich mich daran immer wieder erinnern muss. Die Architektur der Stadt versetzt uns in die prunkvollen Zeiten russischen Reichtums zurück. Und dennoch, multikulturell. Hier eine Synagoge, hier eine Moschee und 500 Meter weiter östlich die herrschaftliche Sophien Kathedrale. Der Zentrale Busbahnhof erinnert ein wenig an „King’s Cross“ in London. Kurzum, niemand würde in dieser Stadt an China denken, bis die nächste Schneeskulptur um die Ecke schaut oder der nächste Chinese mit seiner Wurst am Stiel unseren Weg kreuzt. 



Aber zurück zu den Eisskulpturen. Egal ob das berühmte Harbiner Bier, die „Bank of China“, Schlösser oder die chinesischen Tierkreiszeichen, alles, was das Herz begehrt, wurde hier in Eis gehauen. Wer möchte, kann auf die Kunstwerke steigen oder in sie hineingehen. In den Schlösser gilt es mehrere Stockwerke zu besichtigen und in der eisernen Lokomotive gibt es auch für den letzten Besucher noch einen Sitzplatz auf einer der Bänke. Man könnte Stunden damit verbringen, sie zu erkunden, ja wäre da nicht der ständige Begleiter: Kälte. 


Nach zwei Stunden waren wir bis zum äußersten, kleinen Zeh durchgefroren und bereit für unser überhitztes Hostel. So ist das hier, drinnen zu warm, draußen zu kalt. Aber gerade denke ich mir ganz ehrlich, Schwitzen ist doch was Tolles.

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