Es ist nachts, 2:18 Uhr, und immer noch unglaublich heiß.
Meinem harten Holzb(r)ett gelingt es zum wiederholten Male nicht, mich in den
Schlaf zu wiegen. Wie ich mich so hin und her wälze, während das einzige, noch
wache Lebewesen weit und breit, ein blutdurstiger Moskito, an meinem Handknöchel
Gefallen gefunden hat, schießt mir eine Frage in den Kopf, die wir uns vom
ersten Tag an immer wieder stellen: „Warum ist China eigentlich so
gegensätzlich?“
China, das ist das Land, in dem ein mittelständiger Firmenbesitzer mit seinem I-Phone prahlt und ein
kodiertes Türschlosssystem sein eigen nennt, während die Tür daneben aus
marodem Holz besteht und sein Klo ein simples Loch im Boden ist, ohne Spülung.
China ist das Land, in dem die teuersten Markenflitzer a la
Porsche und Ferrari auf Straßen fahren,
die in Deutschland wohl allerhöchstens als Feldweg bezeichnet werden würden. Ständig
von Ochsen unterbrochen, geben selbst sie den Insassen dauerhaft das Gefühl des
Rodeo Reitens.
In China gibt es die teuersten Restaurants mit den
ausgefallensten Gerichten, aber trotzdem liegt das Fleisch vor dem Verkauf mehrere Stunden ungekühlt in der prallen
Sonne herum.
China vergöttert einerseits alles Westliche und strebt nach dem Fortschritt, kapselt
sich aber andererseits durch die Zensur und die immer strengeren Visaauflagen
von der restlichen Welt ab.
Ich würde sagen, in China muss die Hälfte der Schüler „Burn-out“ gefährdet sein,
manche arbeitenden Erwachsenen jedoch, zelebrieren den Müßiggang so sehr, dass
sie die Spanier in Sachen „Siesta“ abhängen würden. Sie essen, schlafen,
entpuppen sich als akute Handy-Abhängige oder verlassen gar ganz ihren
Arbeitsplatz, um sich der Rentnergruppe nebenan beim Tai-Chi-Tanz
anzuschließen.
In China repariert ein Handwerker
dreimal eine Toilette und sie funktioniert immer noch nicht.
In China sind die Menschen meistens herausgeputzt und fahren
teure Autos, wohnen aber in einer Art „Hühnerstall“.
China baut an jeder freien Ecke die modernsten Wohnungen, die dann wegen mangelnder Nachfrage als ganze
Geisterstädte leer stehenbleiben.
Ein Chinese in der Stadt,
der was auf sich hält, ernährt sich zu 80% des Tages nur von Fleisch, während
die Landbevölkerung noch mit
Ochsengespannen die Felder pflügt und keinen Kühlschrank besitzt. Sie haben
zumeist überhaupt nichts, nicht einmal alles, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Inmitten dieser Armut entdecken wir einen Flachbildschirm, auf dem „Spongebob
Schwammkopf“ läuft.
In China ist es Kriterium auf fortgeschrittenem Niveau Englisch zu sprechen, um es auf die
Universität zu schaffen. Es wird ihnen aber untersagt, in irgendeiner Weise
Kontakt mit englischen Muttersprachlern aufzunehmen, weder durch das Reisen,
noch über das Internet. Viele Englischlehrer sind zudem so schlecht, dass nicht
einmal wir sie verstehen.
In China darf man bei
Tisch schmatzten, spucken, rülpsen und pupsen, und noch dazu eine riesige
Sauerei hinterlassen, aber bloß nicht Naseputzen.
Chinesen vertragen keinen Alkohol und nehmen trotzdem mit Begeisterung an Trinkspielen teil.
Genauso, wie sie keine Milch vertragen, sie diese aber dennoch konsumieren, in
der Hoffnung, dadurch größer zu werden.
China ernennt ganze Gebiete zu Nationalparks, in denen es aber weder Wanderwege, noch andere
Trekkingrouten gibt, sodass man gezwungen ist, sie mit dem Auto zu erkunden.
Chinesen geben dir immer eine Antwort auf deine Frage, auch wenn sie nicht den
leisensten Schimmer von der Sache haben. Wenn man nach dem Weg fragt, kommt es
so des Öfteren vor, dass dich jemand in die falsche Richtung schickt, einfach
aus Angst, dir nicht weiterhelfen zu können oder gar „ihr Gesicht zu
verlieren.“
China kann seine Bevölkerung nicht annähert ernähren und
importiert Massen an Nahrungsmitteln
aus dem Ausland, trotzdem gehört es
immer noch zum guten Ton, so viele Gerichte wie möglich zu bestellen und am
Ende die Hälfte unangerührt stehen zu lassen.
Ich könnte diese Liste noch endlos fortsetzten. Viele Dinge
sind für uns unfassbar, lassen uns staunen, bringen uns zum Schmunzeln,
verärgern uns oder lassen uns komplett verzweifeln. Wir befinden uns, seit wir
hier angekommen sind, in einem dauerhaften Gefühlschaos zwischen den zwei
Welten Deutschland und China. Und gerade als ich dabei bin, diesen Post fertigzustellen,
geschieht etwas, das ihn perfekt untermauert:
Ich startete nämlich eben den Versuch, mir einen nächtlichen
Tunfischsalat zu machen. Wie gesagt, Versuch. Spätestens, als ich die
frischgekaufte Dose aus dem Supermarkt öffne und mir ein fetter Brummer mit
seinen fliegentypischen Glubschaugen direkt ins Gesicht starrt, weiß ich, dass
dieser Tag einfach kein gutes Ende nehmen sollte. Ich knalle die Dose in den
Mülleimer und verziehe mich schmollend zurück in mein Bett. An Tagen wie
diesen, denke ich: „Fuck off“ China!“ China, meine Hassliebe.
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