Der See sieht wild aus. Beinahe so ungehalten und
unberechenbar wie das Meer und doch schwingt noch ein wenig Gutmütigkeit in den
harschen Wellen mit. Ein paar Fischer und Männer der Einsamkeit gleiten in
ihren kleinen Fischerboten nicht weit von uns entlang. Unsere Fahrräder, die
wir uns am Morgen ausgeliehen haben, geben alles in ihren alten Tagen, um uns
bestmöglich über die verträumten „Causeways“ des Westsees zu kutschieren.
Währenddessen kommen wir an unzähligen Weiden vorbei. Sie lassen kaum eine
Stelle des Ufers völlig frei und vermitteln den Eindruck, man treffe jeden
Augenblick auf Monsieur Monet oder laufe Monsieur Renoir bei der Arbeit direkt
in die Arme. Wäre da nicht der knallrot-leuchtende KFC am Horizont zu erkennen.
Pagoden hinter uns ließen. Die zehn Beeindruckensten wurden schon vor langer Zeit unter den „Zehn schönsten Szenerien des Westsees“ zusammengefasst. Jeder Ort hat danach seinen eigenen, sehr poetisch klingenden Namen bekommen. Die Leifeng-Pagode, deren Platz auf den Namen „Leifeng-Pagode im Abendglühen“ getauft wurde, haben wir selbst besichtigt. Anderen, wie der „Grasmücke, die in den Weiden singt“ oder dem „Schmelzenden Schnee auf der durchbrochenen Brücke“, konnten wir leider keinen Besuch abstatten. Zu schade, dass ich von diesen goldigen Namen erst im Nachhinein erfahren habe, sonst hätte ich mir die „Grasmücke“ bestimmt nicht entgehen lassen.
Später führte unser Weg völlig unerwartet zum Lingyin-Tempel.
Eigentlich hatten wir geplant, den ganzen Tag am Westsee zu verbringen, aber
nach eine Weile, war uns nach Laufen zumute und wir entschieden uns spontan für
einen Abstecher in die Welt der Mönche und Räucherstäbchen. Das Arial war
wirklich beindruckend. Es gab so viel zu sehen, dass man hierfür wohl lieber
Wocheneintrittskarten inklusive Übernachtung verkaufen sollte. Wir schauten
uns, die in Fels gehauenen, buddhistischen Skulpturen an, nun ja einige von
ihnen, insgesamt sind es 400. Hatte ich erwähnt, dass das Gelände weitläufig
ist?
Nachdem wir den Weg neben den Steinhängen passiert hatten,
wurden wir auf einem Treppenaufstieg von Tempel zu Tempel geleitet, bis wir
schließlich am Ende angelangt waren und eine Aussicht bis zu den Umrissen der
städtischen Hochhäuser genießen konnten. Wie gerufen kam in diesem Moment die
Sonne noch einmal heraus, für die letzten, hellen Stunden des Tages.
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