„Chinesen sind die gastfreundlichsten Menschen überhaupt“,
das kann man in jedem Chinaknigge lesen. Wir sind gerade dabei, diesem Klischee
auf den Grund zu gehen und die ganze Wahrheit herauszufinden. Ist es wirklich
möglich, dass ein ganzes Land auf ein paar halbwüchsige Europäer geradezu
abfährt? Nun, nicht alle, soviel kann ich euch an dieser Stelle schon verraten...
Lektion 1: „Die Genervten“
Lektion 1: „Die Genervten“
Diese Lektion mussten wir wohl oder übel in den ersten Tagen
in China lernen. Merkt euch, kommt niemals, wenn euch die Chinesen nicht
erwarten bzw. am liebsten gar nicht da haben wollen. Vor allem nicht in den
Feiertagen, so wie wir. Da kennen sie keine Höflichkeit und ihr seid verloren.
Freitag sind wir in Liuzhou angekommen und bis
Dienstag wurden wir von allen dezent ignoriert. Unsere Probleme wurden nur
halbherzig zur Kenntnis genommen und da unsere Vertrauenslehrer während dieser
Zeit mit Abwesenheit glänzten, mussten wir uns eben damit abfinden, dass wir
unsere Toilette nicht benutzen konnten. Dazu kommt, dass kein Mensch ein Wort
Englisch spricht, jedenfalls niemand, den wir bis dahin getroffen hatten. Wir planlosen
Analphabeten waren von jetzt an damit beschäftigt, uns irgendwie Putzmittel und
Essen zu besorgen.
Wir waren überrascht und enttäuscht zugleich über so wenig
Interesse. Aber in unserer Ratlosigkeit durften wir schnell feststellen, dass
es auch anders ganz anders geht.
Lektion 2: „Die Aufmerksamen“
Mit erwartungsvollem Blick nimmt uns der Werksleiter von Mann&Hummel
in seinem Büro in Empfang. Ellis Mutter hatte zuvor über einige Connections in
der Firma organisiert, Ellis Wintersachen schon im Voraus nach China zu
schicken. Und da waren wir nun, um genau diese abzuholen. Es ist schon lustig,
dass der Werksleiter sich höchstpersönlich, um diese Angelegenheit kümmert. In
Deutschland würde sich ein so „hohes Tier“ niemals dazu herunterlassen, sich
der Aufgabe anzunehmen. Anders der sympathische Chinese. Nachdem er uns einiges
über die Firma erzählt hat, ja, er kann sogar ein bisschen Englisch, bekommen
wir sogar noch einen gratis Firmenrundgang. Wir sind begeistert. Und als wäre
das alles noch nicht genug, lädt er alle ATC-ler am selben Tag zu einem
Abendessen ein. Am Morgen hatten wir erwähnt, dass wir fast alle Vegetarier
sind oder zumindest Fleisch in China meiden und siehe da, es tummeln sich fast
nur fleischlose Gerichte auf dem großen, runden Holztisch als wir das
Restaurant erreichen. Obwohl die Chinesen null Verständnis für diese Art
„westlichen Tick“ aufbringen können,
haben sie sich vollkommen nach unseren Bedürfnissen gerichtet. Im
Anschluss verabschieden uns alle mit der Bitte, wir sollten uns doch alle
melden, wenn wir irgendwelche Probleme haben und sollten jeder Zeit anrufen,
wenn sie etwas für uns tun könnten. Diese Menschen sind eindeutig von der Sorte,
wie sie der China-Knigge beschreibt.
Und es sollte noch extremer kommen….
Lektion 3: „Die Verehrer“
Kaum setzen wir einen Fuß auf den Campus der „Liuzhou Ba Zhong“
(Mittelschule Nr. 8), der unser zukünftiger Arbeitsplatz sein würde, bricht die
versammelte Mannschaft in tosendem Applaus aus. Egal an welche Klassenzimmer
wir vorbeilaufen, alle drehen sich um und fangen an, zu applaudieren. Warum
eigentlich? Was soll das? Nur weil wir anders aussehen als sie? Genau deshalb.
Wir haben nichts geleistet, aber vergöttert als hätten wir gerade den
Friedensnobelpreis abgeräumt. Egal an welche Ecke wir stehen bleiben, wir
werden immer wieder von den neugierigen Kleinen umzingelt. Der ein oder andere
spricht uns schüchtern auf Englisch an und sollte das nicht funktionieren,
steht der Austausch von „We Chat“ oder zumindest einem Foto ganz hoch im Kurs. Immer
nach dem Prinzip: „I’m your biggest fan, I follow you, Do you love me? Papa,
PAPARAZI“ Es fühlt sich wirklich so an. Bist du gerade beim Essen? Dann bleibt
nur zu hoffen, dass du gerade halbwegs geschickt mit den Stäbchen umgehst, denn
es könnte jeder Zeit der Kellner um die Ecke kommen und ohne zu Fragen seine Kamera zücken. Oder das Mädchen vor dir
dreht ihr Handy gerade ganz unauffällig in die falsche Richtung? Nein, dann
will sie keine Fotos von ihrem Allerwertesten machen, sondern von dir. Daran
müssen wir uns jetzt gewöhnen.
Fazit:
Entweder sie lieben dich oder sie trauen dir nicht. Es gibt
die verschiedensten Reaktionen auf uns, aber alles in allem können Europäer in
China wirklich von einem Schwall Liebe an jeder Ecke rechnen. Ich würde die
Aussage im China-Knigge trotzdem nicht so unterschreiben. Es ist weniger die
bloße Gastfreundlichkeit, sondern viel mehr die Neugierde und die
Sensationslust, die sie dazu treibt. Wir fühlen uns wie eine Art angesagtes
Accessoire, jeder möchte es einmal für sich gehabt haben. Ich bin gespannt, wie
es erst wird, wenn wir anfangen, zu unterrichten.
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