Dienstag, 11. November 2014

Chinesen und ihre Geschichten - Teil 2 -



In den letzten zwei Monaten haben wir schon so viele Menschen kennengelernt, ihnen zugehört, mit ihnen zusammen gegessen und gefeiert, mit ihnen gelacht und getrauert, dass man beinahe ein ganzes Buch füllen könnte. Vom penetranten Modelagenten bis zum PR-geilen Publizisten, vom einfachen Kioskbesitzer, bis zum Polizeihauptkommissar, von der lebenslustigen, westlichen Chinesin Sissi, bis zum hilfsbereiten Iren Stephen, vom chinesischen Chirurg „Doctor King“, bis hin zu feierwütigen, chinesischen Basketballstars. Die Liste ist lang. Hier sind die Menschen und ihre Geschichten: 



Kommen wir zu dem Iren Stephen, dem wir ebenfalls zu Pauls kleiner Abschiedsparty das erste Mal begegnet sind und mit dem ich schon viele lustige „Tanzmoves“ a la „Der Rasenmäher“ und „Der Einshampoonierer“ gefeiert habe. Stephen hat eine chinesische Frau und eine kleine Tochter und lebt mittlerweile schon seit fünf Jahren in Liuzhou. Fast genauso lange kennen sich er und Paul auch schon. Er ist ein total witziger und sympathischer Typ, dem wir es zu verdanken haben, dass wir eine chinesische Nachhilfelehrerin namens Sunny haben und einen Raum, in dem sie uns unterrichtet, wir treffen uns nämlich jedes Mal bei ihm zu Hause. Wirklich keine Selbstverständlichkeit, gerade in China. Außerdem wüssten wir ohne ihn nicht, dass man niemals Käse in seine Päckchen nach China packen sollte, denn dann kommen sie unmöglich bei ihrem Adressaten an. Seine Mutter aus Irland hat es schon zweimal versucht und ist jedes Mal kläglich gescheitert. Also jetzt wisst ihr Bescheid, kein Käse! Stephen, falls du das liest, wir sind dir zu großem Dank verpflichtet!



Eine weitere Bekanntschaft sind die Kommissare. Die Kommissare haben keinen guten, ersten Eindruck bei mir hinterlassen, nett ausgedrückt. Bei unserem ersten Treffen im Soho-Nachtclub in Liuzhou hat mir einer von ihnen sooft seine Liebe gestanden, dass es beinahe penetrant wurde. Anfangs habe ich versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, was dazu führte, dass Elli und Lena unsanft als Verkuppler missbraucht wurden, um mir dies und jenes direkt aus seinem Herzen zu erzählen. Es war peinlich. Wir wurden die ganze Truppe solange nicht los, bis wir auch den letzten Happen unserer chinesischen Nudelsuppe aufgegessen hatten und es 4 Uhr nachts war. Damit noch nicht genug, in den Wohnungen angekommen, erhielt ich ungefähr zwanzig Nachrichten, dass er mich jetzt schon so vermissen würde und Fragen, ob ich ihn denn überhaupt hübsch finden würde. Das war eindeutig zu viel des Guten. Danach hatte ich erstmal genug Polizei für die nächste Zeit. 


Als sie uns aber wenig später wegen KTV fragten, sprang ich über meinen Schatten und ging mit. Das Popcorn ist dort immer so super lecker und „Sweet Sweet“, wie der eine Chinese sich nennt. Das beeinträchtigte meine Entscheidung immens und machte es mir unmöglich, objektiv zu bleiben. Mit Erfolg. Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt! Dieses Mal nicht halb so besoffen, waren sie mir um einiges sympathischer und auch überhaupt nicht aufdringlich. Es wurde einer der lustigsten Abenden, die wir bisher in Liuzhou verbracht haben. Jeder verdient eine zweite Chance. Sie sind das beste Beispiel.



Weiter geht’s zu dem PR-geilen Cousin von unserem Studenten Daniel, mit dem wir zu dem Sonnenblumenfestival gefahren sind. Dieser Mann ist eindeutig der berechnendste Chinese, den wir bis jetzt getroffen haben. Zweimal hat er uns in seine Wohnung geschleift, mit uns eine Tee-Party zelebriert, sowie uns teuren „Drachentee“ geschenkt, nur aus einem Grund, um uns als Werbemaskottchen für seine Firma zu missbrauchen. So endete unsere Bekanntschaft nicht etwa mit einem netten: „See you“, wie üblich, sondern mit einer endlosen Fotostrecke von uns vor seinem Firmenemblem. Sehr geil. Einer von den Menschen, bei denen man denkt, einmal gegen die Wand klatschen, gehen und niemals wiedersehen.


Die aufgeweckte Sissi hat uns an unserem dritten Tag im Fitnessstudio angesprochen und war gleich ganz begeistert, dass wir Deutsche sind. So jemanden habe sie bis jetzt noch nie kennengelernt, meint sie. Amerikaner, Briten und Kanadier gebe es viele, aber Deutsche laufen den Liuzhouern selten über den Weg. So kamen wir ins Gespräch und trafen uns eine Zeit lang sogar jeden Abend zum Sport machen. Danach saßen wir immer zusammen in der Entspannungszone, tauschten uns über die neuesten Ereignisse aus und versuchten ein wenig mehr Chinesisch durch sie zu lernen. Das endete dann meistens mit dem Szenario, dass wir schallplattenartig jedes Wort zehnmal wiederholten und sie währenddessen mehrfach erwähnte, wie süß wir uns doch dabei anhören würden. Jetzt wisst ihr Bescheid, wir klingen wahrscheinlich wie Kleinkinder, wenn wir krampfhaft versuchen das „q“ und das „j“ unterschiedlich auszusprechen. Aber was soll‘s, immerhin wollen wir dieses Rätsel von Sprache irgendwann einmal beherrschen. Jetzt, nach zwei Monaten, fangen wir langsam an uns zu fragen, ob dafür nicht drei Auslandsjahre nötig sind.
 



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