In den letzten zwei Monaten haben wir schon so viele
Menschen kennengelernt, ihnen zugehört, mit ihnen zusammen gegessen und
gefeiert, mit ihnen gelacht und getrauert, dass man beinahe ein ganzes Buch
füllen könnte. Vom penetranten Modelagenten bis zum PR-geilen Publizisten, vom
einfachen Kioskbesitzer, bis zum Polizeihauptkommissar, von der lebenslustigen,
westlichen Chinesin Sissi, bis zum hilfsbereiten Iren Stephen, vom chinesischen
Chirurg „Doctor King“, bis hin zu feierwütigen, chinesischen Basketballstars.
Die Liste ist lang. Hier sind die Menschen und ihre Geschichten:
Eine weitere Bekanntschaft sind die Kommissare. Die
Kommissare haben keinen guten, ersten Eindruck bei mir hinterlassen, nett
ausgedrückt. Bei unserem ersten Treffen im Soho-Nachtclub in Liuzhou hat mir
einer von ihnen sooft seine Liebe gestanden, dass es beinahe penetrant wurde.
Anfangs habe ich versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, was dazu führte, dass Elli
und Lena unsanft als Verkuppler missbraucht wurden, um mir dies und jenes
direkt aus seinem Herzen zu erzählen. Es war peinlich. Wir wurden die ganze
Truppe solange nicht los, bis wir auch den letzten Happen unserer chinesischen
Nudelsuppe aufgegessen hatten und es 4 Uhr nachts war. Damit noch nicht genug,
in den Wohnungen angekommen, erhielt ich ungefähr zwanzig Nachrichten, dass er
mich jetzt schon so vermissen würde und Fragen, ob ich ihn denn überhaupt
hübsch finden würde. Das war eindeutig zu viel des Guten. Danach hatte ich
erstmal genug Polizei für die nächste Zeit.
Als sie uns aber wenig später wegen KTV fragten,
sprang ich über meinen Schatten und ging mit. Das Popcorn ist dort immer so super
lecker und „Sweet Sweet“, wie der eine Chinese sich nennt. Das beeinträchtigte
meine Entscheidung immens und machte es mir unmöglich, objektiv zu bleiben. Mit
Erfolg. Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt! Dieses Mal nicht halb so
besoffen, waren sie mir um einiges sympathischer und auch überhaupt nicht
aufdringlich. Es wurde einer der lustigsten Abenden, die wir bisher in Liuzhou
verbracht haben. Jeder verdient eine zweite Chance. Sie sind das beste Beispiel.
Weiter geht’s zu dem PR-geilen Cousin von unserem Studenten
Daniel, mit dem wir zu dem Sonnenblumenfestival gefahren sind. Dieser Mann ist eindeutig
der berechnendste Chinese, den wir bis jetzt getroffen haben. Zweimal hat er
uns in seine Wohnung geschleift, mit uns eine Tee-Party zelebriert, sowie uns
teuren „Drachentee“ geschenkt, nur aus einem Grund, um uns als Werbemaskottchen
für seine Firma zu missbrauchen. So endete unsere Bekanntschaft nicht etwa mit
einem netten: „See you“, wie üblich, sondern mit einer endlosen Fotostrecke von
uns vor seinem Firmenemblem. Sehr geil. Einer von den Menschen, bei denen man
denkt, einmal gegen die Wand klatschen, gehen und niemals wiedersehen.
Die aufgeweckte Sissi hat uns an unserem dritten Tag im
Fitnessstudio angesprochen und war gleich ganz begeistert, dass wir Deutsche
sind. So jemanden habe sie bis jetzt noch nie kennengelernt, meint sie.
Amerikaner, Briten und Kanadier gebe es viele, aber Deutsche laufen den
Liuzhouern selten über den Weg. So kamen wir ins Gespräch und trafen uns eine
Zeit lang sogar jeden Abend zum Sport machen. Danach saßen wir immer zusammen
in der Entspannungszone, tauschten uns über die neuesten Ereignisse aus und
versuchten ein wenig mehr Chinesisch durch sie zu lernen. Das endete dann
meistens mit dem Szenario, dass wir schallplattenartig jedes Wort zehnmal
wiederholten und sie währenddessen mehrfach erwähnte, wie süß wir uns doch
dabei anhören würden. Jetzt wisst ihr Bescheid, wir klingen wahrscheinlich wie
Kleinkinder, wenn wir krampfhaft versuchen das „q“ und das „j“ unterschiedlich auszusprechen.
Aber was soll‘s, immerhin wollen wir dieses Rätsel von Sprache irgendwann
einmal beherrschen. Jetzt, nach zwei Monaten, fangen wir langsam an uns zu
fragen, ob dafür nicht drei Auslandsjahre nötig sind.
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